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Nii Parkes: Die Spur des Bienenfressers

Die Spur des Bienenfressers

“Die Spur des Bienenfressers” ist ein spannender, kurzer Krimi aus Ghana. Nii Parkes lässt den Fall auf zwei Arten lösen: Offiziell ermittelt der ausgebildete, moderne Kayo aus der Hauptstadt, doch er braucht die Hilfe des traditionellen Opanyin.

Nii Parkes wurde 1974 in England geboren, seine Eltern sind ghanaisch und er wuchs in Ghana auf. „Die Spur des Bienenfressers“ ist sein erster Roman und erschien 2009 in London. Neben Romanen schreibt Parkes Kurzgeschichten, Poetry, Liedtexte und Rap. Zwei seiner Onkel, Kofi Awoonor und Frank Kobina Parkes, waren ebenfalls Schriftsteller.

Krimi aus Ghana

Die Geliebte eines Ministers folgt der Spur eines blauen Vogels in eine Dorfhütte. In der Hütte fängt sie an zu schreien, denn sie steht plötzlich vor einem… ja, was ist es eigentlich? Keiner weiß, ob es menschliche Überreste oder die von einem Tier sind. Statt „Wer hat es getan?“ heißt es hier „Was ist das?“ und „Wie wurde es getötet?“

Der Roman ist relativ kurz. Es vergeht nur eine Woche, in der der Fall entdeckt und gelöst wird. Nii Parkes macht dabei eine Welt auf, in der ich gerne länger geblieben wäre. Man kommt leicht in die Geschichte rein und die Charaktere sind sympathisch. Vielleicht ist die Länge der Geschichte auch an die afrikanische Erzählweise angelehnt und deshalb kürzer. Eine mündlich erzählte Geschichte wäre wahscheinlich niemals so lang wie ein Wälzer oder eine Romanreihe, in denen man wochenlang den gleichen Charakteren folgt.

"Die Ahnen sagen, die Wahrheit ist kurz, aber wenn eine Geschichte nichts taugt, dann wird selbst die Wahrheit so plattgewälzt wie eine Kröte, die auf einer dieser neu gebauten Straßen von einem Auto überfahren wird."
Dorf Ghana
Ein Dorf im Hinterland von Ghana | Bild von lapping

Im Hinterland von Accra

Der Tatort befindet sich im kleinen traditionellen Dorf Sonokram im Hinterland von Accra, der Hauptstadt von Ghana. Es liegt umgeben von Wäldern etwa drei Stunden Fahrt von Accra entfernt. Das Dorf habe sich seit Jahrhunderten kaum verändert, hier spreche man noch die Sprache des Waldes und lebe mit den Geistern der Vorfahren, heißt es im Klappentext. Unter normalen Umständen wäre die Polizei wahrscheinlich gar nicht dem Fall nachgegangen. Aber da ein Minister in die Sache verstrickt ist, schickt der Polizeidirektor sofort seine besten Männer aus Accra in das kleine Dorf.

Als erstes fällt ihnen der abartige Gestank im Dorf auf. Die Bewohner stört das nicht, sie riechen nichts Unnormales. Sie leben abgeschottet unter sich und nur die Außenwelt bemerkt den Unterschied. Der Geruch kommt aus der Hütte des Kakaobauern Kofi Atta, der seit ein paar Tagen nicht mehr gesehen wurde. Während die Polizisten beginnen, sich umzuhören, laufen ihnen neugierige Kinder nach. Sie scheinen nicht oft Polizisten zu sehen und zeigen auch keine Angst. Die älteren Dorfbewohner wirken misstrauisch und distanziert, aber gelassen. Der Jäger Opanyin Poku beobachtet ruhig und gleichgültig die hektischen Ermittlungen der Polizisten – bis er von ihnen angesprochen wird:

"Und dann fiel sein Blick auf mich, und er zeigte mit dem Finger auf mich.
'He du, sprichst du Englisch?'
Ah, dachte ich, der Mann hat entweder keinen Respekt oder er sieht mir meine vierundsiebzig Jahre nicht an, weil ich mir den Kopf rasiert habe. Kaut Erdnüsse, während er mit mir redet!"

Traditionelle und moderne Methoden

Man folgt zwei Erzählern, einerseits dem traditionell afrikanischen Opanyin und andererseits dem modernen Gerichtsmediziner Kayo Odamtten aus der Hauptstadt. Mit Opanyin wechselt Parkes die Perspektive und zeigt, wie unhöflich die Polizisten sind. Schlechte Sitten und keine Manieren! Der Einzige, der sich an die Traditionen hält und Respekt zeigt, ist Kayo. Als er ins Dorf kommt, begrüßt er den Jäger auf Akuapem-Twi, einem Dialekt der Akan-Völker in Ghana, den Kayo auch mit seiner Mutter spricht. Als nächstes bittet er den Dorfältesten um Erlaubnis, in seinem Dorf ermitteln zu können. Seine respektvolle Rücksichtnahme verschafft ihm das Vertrauen der Dorfbewohner. Und Kayo wird fortan abends zum Palmwein in die Bar eingeladen, dem Dreh- und Angelpunkt der Dorfgemeinschaft und ihrer Geschichten.

Kayo und Opanyin arbeiten von da an zusammen, um den Fall zu lösen. Kayo mit modernen Tools und westlichen Methoden, und Opanyin mit Geschichten, Mythen und Kenntnissen aus dem Wald. Denn das Dorf hat seine eigenen Sitten und Traditionen – sowie ein eigenes Verfahren, Recht zu schaffen und Täter zu bestrafen. Während Kayo versucht, diesen Fall mit dem merkwürdigen Stück Fleisch aufzudecken, erinnern ihn die Dorfbewohner daran, dass dem Fall möglicherweise eine andere Geschichte vorausging.

Nii Parkes: Die Spur des Bienenfressers
So stell ich mir den Gegensatz zwischen der Hauptstadt und dem Weg in das Dorf vor. | Foto von Tobias Nii Kwatei Quartey

Perspektivwechsel und Folklore

Parkes hat bewusst die beiden Perspektiven eingebracht: die traditionell-afrikanische und die westlich-moderne. Er will mit der Geschichte zeigen, dass jeder eine individuelle und voreingenommene Sicht auf die Ereignisse hat. Im Krimi arbeiten beide Seiten zusammen an der Lösung – aber auf ihre Weise. Und das Ergebnis ist überraschend. Die Sichtweise muss dabei nicht nur im Gegensatz „traditionell“ und „modern“ verschieden sein, sondern kann sich auch von Mann zu Frau, Kind zu Großvater etc. unterscheiden. Welche Perspektive ist wahrer? Laut Nii Parkes ist es keine: „Nobody can be 100 percent clean in a world that is essentially about compromise from birth.“

Für Parkes beginnt das Narrativ an dem Tag der Geburt. Er spielt damit auf den Ethnozentrismus an, der in Europa entsprechend Eurozentrismus und in Afrika Afrozentrismus genannt wird. Im Grunde besagt es, dass wir in eine Kultur, ihre Werte, Sitten und ihr Wissen hineingeboren werden. Sie sind uns vertraut und für uns nachvollziehbar. Parkes demonstriert in diesem Roman einen Perspektivwechsel von westlichen Methoden, Wissenschaft und Moderne hin zu Erzählungen, Mythen und Geistern.

"Ich wiederhole gerne den Spruch der Alten: Selbst der Adler hat nicht alles gesehen."

Dabei war schon Parkes Schriftsteller-Onkel Kofi Awoonor bekannt dafür, die Folklore seines Volkes der Ewe in seine Geschichten einzuarbeiten. In „Die Spur des Bienenfressers“ erzählt Opanyin in der Bar die Geschichte von einem riesigen Xylophon im Wald, das von dem Dorfbewohner Tintin gebaut wurde. Und Kayo ist bei der Erzählung plötzlich hellwach, denn er hatte schon gedacht er sei verrückt, als er Klänge aus dem Wald hörte. Nein nein, versichert ihm der Jäger:

"Ich sage euch, das Xylophon war so laut, dass ich dachte, Tintin würde auf meiner Haut spielen."

Bienenfresser in Ghana

Warum der Roman nach dem Vogel Bienenfresser benannt wurde, ist mir nicht ganz klar. Die Geliebte des Ministers folgt einem blauen Vogel zum Tatort in der Dorfhütte. Und Opanying erklärt, dass die Dorfbewohner den Vogel sehr respektieren, da er etwas frisst, das sticht. Weiter findet Kayo einige Tage, nachdem er seine Ermittlungen begann, eine blaue Feder auf dem Fleisch, die vorher noch nicht dort war. Und wenn ich keine wichtigen Textstellen zum Bienenfresser überlesen habe, sind das die einzigen Hinweise auf den Vogel, der im Titel genannt wird…


Diese Ausgabe erschien 2012 beim Unionsverlag in Zürich.


Fragen zu Ghana

Nana Addo Dankwa Akufo-Addo ist seit 2017 Präsident von Ghana.
In Ghana werden zwischen 45 und 100 Sprachen gesprochen. Die Amtssprache ist Englisch. Die drei meistgesprochenen Sprachen in Ghana sind: Akan, Ewe und Abron.
In Ghana leben rund 32 Millionen Menschen.

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