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Nadine Gordimer: Der Besitzer

Nadine Gordimer Der Besitzer

Den Roman „Der Besitzer“ verfasste 1974 Nadine Gordimer, die Literatur-Nobelpreisträgerin aus Südafrika. Wir begleiten den weißen Geschäftsmann Mehring aus Johannesburg, der sich eine abseits liegende Farm kauft, um sich vom Stadtleben und langweiligen Dinnerpartys zurückziehen zu können

Das Original „The Conservationist“ erschien 1974 in London und erhielt den Booker Prize als bester neuer englischsprachiger Roman. Die Autorin Nadine Gordimer wurde 1923 in der Nähe von Johannesburg in der damaligen Region Transvaal geboren – hier spielt auch der Roman und steht Mehrings Farm. „Der Besitzer“ ist einer von 15 Romanen, die sie schon als Jugendliche begann zu schreiben. Hinzu kamen hunderte Kurzgeschichten und Essays.

Apartheid-Kritikerin Gordimer

Hauptthema in Gordimers Veröffentlichungen ist ihre Kritik an der Apartheid in Südafrika. Die Anti-Apartheid-Aktivistin stand auf der gleichen Seite wie Nelson Mandela. 1991 wurde Gordimer unter anderem für ihre realistische Art, soziales Unrecht zu beschreiben mit dem Literaturnobelpreis geehrt.

Die Farm in Südafrika

Mehrings Farm liegt 40 km außerhalb von Johannesburg in der damaligen Region Transvaal. Sie verleiht dem Geschäftsmann nicht nur Steuererleichterungen, sondern auch ein Wochenend-Hobby. Mehring versteht zwar nicht viel von Ackerbau, lernt es aber nach und nach von Farmarbeitern wie Jacobus – auch wenn Mehring sich das wahrscheinlich nicht eingestehen würde. Er kann auch nicht verstehen, dass es seinen Sohn Terry zu Verwandten in die USA zieht und nicht zu ihm auf seine Farm in Südafrika.

Farm in Südafrika | Foto von Hannes Richter

Für mein Gefühl war der Roman anders als der Klappentext vorgibt. Der „Besitzer“ Mehring und die Farmarbeiter finden zwar am Anfang die Leiche eines Afrikaners auf einer Weide der Farm, das war aber nicht das Hauptthema. Und auch die angekündigten Streitereien mit den schwarzen Farmarbeitern blieben aus. Es gibt Brände, Missernten und Überflutungen, aber keine Aufstände.

Im Klappentext steht auch, dass es eine „meisterliche Charakterstudie“ sei, und als Hauptfigur ist Mehring ein sehr gutes Beispiel. Er beobachtet die Menschen mit einer Aufmerksamkeit, die allerlei Details einfängt. Über seinen Sohn denkt er an einer Stelle:

"Dieses unglaublich lange und schlanke Geschöpf, erst vor so kurzer Zeit zum Mann herangewachsen. Ist er sich über seine eigenen Möglichkeiten im klaren, wie er mit eingezogenem Zwerchfell unentschlossen dasitzt, den Rücken wie zum Schutz vor den breiten Schultern und der muskulösen Brust gegen die langen Beine geneigt?"

Erzählte Erinnerungen

Die Erzählung wechselt häufig zwischen dem Erzähler und Bettgesprächen zwischen Mehring und einer nicht weiter vorgestellten Frau, die Antonia heißen und eine Aktivisten sein soll. Die Gespräche teilt Mehring selbst, nicht der Erzähler, und sie sind so verwoben mit dem restlichen Geschehen, dass es Flashbacks oder Erinnerungen sein müssen. Sie ziehen sich fast durch den ganzen Roman, wobei Mehring manchmal auch Erinnerungen an Gespräche mit seinem Sohn teilt.

Roheisen und Diamanten in Südafrika

Mehring verdient sein Vermögen mit dem Handel von Roheisen und fliegt hierfür regelmäßig nach Japan. In einem Gespräch mit der unbekannten Frau spricht sie die Ausbeutung von schwarzen Arbeitskräften an. Die SEIFSA (Steel and Engineering Industries Federation of South Africa) habe ihren höchsten Produktionsanstieg im Roheisen zu verzeichnen und über 80% der Arbeitskräfte seien Afrikaner.

"... diese Männer können es sich leisten, sich die Sehnsucht nach dem Landleben zu erfüllen, die gutverdienenden Leute, die ihr Geld in der Wirtschaft machen, angeboren zu sein scheint."

Der Farmnachbar von Mehring heißt ausgerechnet De Beer, so wie der größte Diamantenproduzent und -händler der Welt. Mehring entgeht nicht, dass der alte De Beer auf einer Dinnerparty die neueste japanische Elektrikuhr trägt, deren Zifferblatt „sich auf einem Armaturenbrett sehen lassen könnte.“

Südafrika Diamantenmine
„The Big Hole“ in Südafrika | Bild von Adrian Marks

Die erste Mine der Brüder De Beer soll auf ihrer Farm in Kimberley entstanden sein. 1866 kamen die ersten Diamanten zum Vorschein, woraufhin ein Ansturm von Goldgräbern folgte und die Brüder die Farm verließen. „The Big Hole“ in Kimberley gilt als das größte von Menschenhand gegrabene Loch.

Aufstand in Soweto

Zwei Jahre nach Erscheinen des Romans kam es 1976 zum Aufstand in Soweto, bei dem der zwölfjährige Schüler Hector Pieterson erschossen wurde. Im Juni 1976 demonstrierte er mit 15.000 Schülern gegen die Einführung von Afrikaans als Unterrichtssprache durch das Apartheidregime. Afrikaans basiert auf dem Neuniederländischen und wurde mehrheitlich von Weißen gesprochen. Afrikaner, die Afrikaans nicht konnten, fühlten sich dadurch benachteiligt. Neben Englisch und Afrikaans gibt es auch zahlreiche Bantu-Sprachen, in denen gelehrt werden konnte.

Mehring ist davon überzeugt, dass die Farmarbeiter ihre eigene Sprache nutzen, um im Schutz seiner Unverständlichkeit über ihn zu lästern. „Sie ziehen sich in diese Sprache zurück und können sagen, was ihnen passt.“ Etwas, dass sie in Gegenwart des „Baas“ (Afrikaans für Chef) nicht können. In Sachen Schreibfähigkeit erklärt er scherzhaft, er vertraue seinem alten Boy mehr als jedem weißen Manager. Denn bei einem Analphabeten könne er sich darauf verlassen, dass er neben der offiziellen Buchführung keine zweite vorfindet.

Soweto Südafrika
Hector-Pieterson-Mahnmal | Bild von DEZALB

Die Proteste in Soweto waren Teil des neuen Selbstbewusstseins, das Unterricht in der eigenen Sprache und über die eigene Geschichte beinhalten sollte. Das Apartheidregime in Südafrika endete 1994 mit Nelson Mandela als ersten schwarzen Präsidenten.


Diese Ausgabe erschienen 2008 beim Berliner Taschenbuchverlag in Berlin.


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