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Baltasar Lopes: Chiquinho

Bücher aus Afrika: Chiquinho

Ich mag alte Romane aus Afrika sehr. Als Baltasar Lopes 1907 auf Kap Verde zur Welt kommt, wird gerade das Telefon salonfähig. 1947 veröffentlicht er seinen einzigen Roman „Chiquinho“, der als bedeutendster von den Kapverdischen Inseln gilt.

Solche alten Bücher aus Afrika sind eine ziemliche Rarität. In der Zeit der Kolonialisierung wurden nur wenige Romane aus Afrika veröffentlicht und dieser ist einer von ihnen. Das ist genau das, was den Roman für mich im Kern ausmacht. Während es immer mehr moderne Bücher und Gegenwartsliteratur aus Afrika auf dem Markt gibt, sind Romane wie „Ein Afrikaner in Grönland“ von 1981 und dieser Roman von 1947 vergriffen oder werden nicht mehr herausgegeben. Umso schöner, wenn man noch einen alten Fund abgreifen kann.

Baltasar Lopes da Silva

Wie die Hauptfigur des Romans, Chiquinho, kommt Baltasar Lopes da Silva von der kapverdischen Insel São Nicolau. Der Buchtitel „Chiquinho“ ist der Nickname der Insel. Mehrere Jahre lang hat Lopes ähnlich wie Kitereza in seiner Heimat Geschichten gesammelt, die immer wieder im Text auftauchen. Häufig heißt es: „die Leute erzählen sich“, „man sagte sich“ oder „es hieß“.

Literarische Revolution

1936, noch während Kap Verde portugiesische Kolonie war, gründete der Autor Baltasar Lopes da Silva die Zeitschrift „Claridade“, die zu einer literarischen Revolution führte. Ihr Ziel war, die kapverdischen Schriftsteller von den portugiesischen Einflüssen zu befreien.

Kap Verde

Die Geschichte von Kap Verde beginnt quasi mit dem Kolonialismus. Über die Zeit davor ist zu wenig bekannt. Vielleicht wurden die Inseln von senegalesischen Fischern entdeckt und bewohnt, aber auch das ist nicht sicher.

Die Kapverden bestehen aus zehn Inseln. Die Hauptstadt Praia liegt auf der größten Insel Santiago. Rund 500 Jahre war Kap Verde portugiesische Kolonie und lag genau auf der Route des Dreieckshandels. Unabhängig wurden die Kapverdischen Inseln 1975. Die Amtssprachen sind Portugiesisch und Kreol.

Auf der Karte ein paar Orte aus dem Roman in Kap Verde:

In Chiquinho geht es vor allem um die Inseln São Nicolau und São Vicente. Und das in drei Teilen:

Chiquinhos Kindheit

Der erste Teil handelt von Chiquinhos Kindheit in dem Dorf Caleijão auf der Insel São Nicolau. 1915 reiste sein Vater nach Amerika, um in einer Baumwollfabrik zu arbeiten. Seitdem lebt Chiquinho mit seiner Mutter, Großmutter und seinen Geschwistern in ärmlichen Verhältnissen alleine in Kap Verde. Doch sie kommen gut über die Runden, denn der Vater schickt regelmäßig Geld aus Amerika.

Kap Verde
Geburtshaus von Baltasar Lopes in Caleijão auf São Nicolau | Foto von Delphinidaesy

Vor seiner Abreise laß er Chiquinho aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch vor – einfach, weil es eines der einzigen Bücher war, die er hatte. Chiquinhos Großmutter ist spirituell, glaubt an Geister und Dämonen. Und seine Mutter verinnerlicht Chiquinho mit all ihren Liedern und Geschichten das Erzählen. Aber im Grunde erzählt fast jeder der Verwandten, Bekannten und Freunde immer mal wieder eine Geschichte. Dass Romanfiguren Geschichten erzählen, ist ziemlich typisch für Romane aus Afrika.

Im ersten Teil wächst die Hoffnung für Chiquinho, mehr zu werden als ein Feldarbeiter. Das typische Bild auf der Insel ist der Besitz eines kleinen Feldes, auf dem bei guter Saison das Nötigste geerntet werden kann. Weil seine Familie ihn fleißig pusht, damit er viel lernt und Chiquinho eine Begabung zu haben scheint, reist er in Teil zwei auf die europäisch-geprägte Insel São Vicente, um aufs Gymnasium zu gehen.

"Zum ersten Mal beschnitt der Ernst des Lebens meine spontanen Neigungen."

Chiquinho auf São Vicente

Auf São Vicente lebt Chiquinho in einer brasilianischen Stadt, in der Karneval gefeiert und Samba getanzt wird. Aber das große Glück findet Chiquinho auf der Insel nicht. Der Teil ist eigentlich eher traurig und einsam. Er hat keine Arbeit und hockt in einer fremden Umgebung. Das Problem ist, dass es Zuhause auch nicht besser ist. Deshalb kann er nicht zurück. Auf São Nicolau würden ihn nur Armut und Hunger erwarten.

Mindelo: einer der führendsten Häfen bis zum Bau des Suezkanals 1869 | Foto von N i c o _

Nichtsdestotrotz findet Chiquinho auf São Vicente schließlich Anschluss und beginnt sogar, eine Zeitung zu gründen. Doch so kontrastreich und unterschiedlich die beiden Inseln auch sind, der Traum seiner Kindheit von einem anderen und besseren Leben erfüllt sich auf São Vicente nicht.

"Was sich um mich herum zutrug, war kaum dazu geeignet, die Stimme der Natur in mir zu unterdrücken."

Regenzeit

In Teil drei kehrt Chiquinho in sein Heimatdorf Caleijão auf São Nicolau zurück, um als Lehrer zu arbeiten. Aber die fehlende Regenzeit und starke Dürre führen zu einer Hungersnot, die Lopes ziemlich bildhaft beschreibt. Zusätzlich wird schnell klar, dass Chiquinho sich mit der Zeit auf São Vicente verändert hat – seine Großmutter nennt ihn jetzt sogar hochmütig. Was bleibt Chiquinho noch? Das Schicksal seines Vaters?

Kap Verde Sao Nicolau
Haus auf São Nicolau | Foto von Bob Oo

Diese Ausgabe erschien 2013 beim Morabeza Verlag in München, alle Rechte der deutschen Ausgabe beim Übersetzer Peter Anton Zoettl


Fragen zu Kap Verde

Die Hauptstadt von Kap Verde ist Praia im Süden der Insel Santiago.
Kap Verde ist ein Inselstaat von 15 Inseln. Die beliebtesten Inseln für den Urlaub sind: Sal, Boa Vista, Santiago, San Antão, São Nicolau, Maio, São Vicente, Fogo und Brava
Auf den Kapverdischen Inseln leben mehr als 500.000 Menschen.
Ein Flug nach Kap Verde dauert zwischen 6 und 8 Stunden.

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