Rafiki, mein Freund! Oder nicht? Ich glaub, ich hab einen neuen Lieblingsautor: Meja Mwangi aus Kenia. Seinem Pantoffelhelden Rafiki folgt man einfach gerne durch die Slums von Nanyuki – als Pfänder für Elektrogeräte wie früher die GEZ.
Mwangi schreibt über seine Heimatstadt Nanyuki, am Rande des Mount-Kenya. Das Bergmassiv in der Mitte Kenias ist mit bis zu 5.199 Metern das zweitgrößte in Afrika. Das höchste Bergmassiv in Afrika ist der Kilimandscharo in Tansania mit bis zu 5.895 Metern.
Majengo ist ein Stadtteil von Nanyuki. Er gehört zu den ärmeren Stadtteilen oder auch Slums. Einen Eindruck von Majengo kann man sich bei Youtube machen. Oder in Mwangis Roman aus Kenia. Um ein Beispiel zu geben: die Bewohner Majengos kennen Fotos nur von Polizeifotos. Denn nur wer verhaftet wurde, besaß ein Foto von sich.
Waschechte Nanyukier, wie Rafiki
Die Nanyukier sind immer waschechte Söhne der Stadt: Waschechte Nanyukier sind zu stolz für Kapitulation, dafür ist kein Raum. Waschechte Nanyukier sind so hartnäckig wie ein Straßenkater. Waschechte Nanyukier lassen sich nie unterkriegen, wie Rafiki. Die Wiederholungen ziehen sich durch den ganzen Roman.
"Sie waren waschechte Söhne unserer Stadt. Sie könnten ohne Geld leben, wenn die Welt sie ließe."
Rafiki, den kein Freund will
Rafiki reist kreuz und quer durch die Stadt und pfändet Elektrogeräte der Bewohner. Ähnlich wie die GEZ früher. Sein Sohn „Rafikison“ hält ihn für eine Art Reversed Robin Hood – er nimmt von den Armen und gibt den Reichen. Für ihn hat Rafiki als Antwort nur den Rat: „Wenn du ein Mann sein willst, dann berate dich mit Männern… Wenn wir allem Beachtung schenkten, was irgend so ein Idiot sagt, kämen wir nie aus dem Bett.“
Ein Schuldner scheint aufgegeben zu haben und sitzt gleichgültig vor seinem Haus, als Rafiki näher kommt.
"Nicht, dass er sich daran erinnern wollte, gab er zu. Die Vergangenheit war vergangen, und er war mit ihr fertig. Er war, ohne jede Anstrengung senerseits, zur wahren Glückseligkeit gelangt. Er hatte keinerlei Sehnsüchte oder Wünsche oder Träume oder Erinnerungen mehr. ... Rafiki brauchte diese Art Freiheit nicht."
Der meistgesuchte Schuldner ist jedoch Meja Mwangi, der Autor selbst. Rafiki sieht sich bei der Suche nach ihm als Gesetzeshüter an einem gesetzlosen Ort. Ein Freund, den kein Freund will. Doch jeder müsse lernen, seinen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen. So wie er, den seine Frau verließ, bis er sich einen anständigen Job und ein regelmäßiges Einkommen besorgt hatte. Am Ende geht es soweit, dass sogar Politiker beginnen ihre Schulden zu tilgen. Zumindest sagt es ein Chief stotternd und mit widerstrebend leiser Stimme vor Zeugen zu.
Kenia im Roman
Hintergründe über Kenias Vergangenheit wie den Mau-Mau-Krieg lässt Mwangi geschickt subtil und nicht zu aufdränglich einfließen. Als Mau-Mau-Krieg werden die Unabhängigkeitskämpfe gegen Großbritannien in Kenia bezeichnet. Der Name stammt von der britischen Kolonialmacht, die Kenianer selbst nannten sich „Land and Freedom Army“. Ganz beiläufig fertigt Mwangi in Nebensätzen die unglaubliche Härte der früheren Kolonialmacht und die „kolonialen Lakaien“ ab und macht seine Meinung deutlich, ohne ausschweifend zu sein oder sich zu wiederholen.
Weniger beiläufig lässt er verschiedene Volksgruppen und Sprachen einfließen. Interessant ist, dass die Unabhängigkeitskämpfe vornehmlich von den Kikuyu angezettelt und getragen wurden, zu denen auch Ngũgĩ wa Thiong’o und Meja Mwangi gehören. Thiong’o ist ein bekannter Verfechter der afrikanischen Literatur auf einheimischen Sprachen und der wohl berühmteste Schriftsteller aus Kenia.
Mwangis Erzählung
Meja Mwangi ist Thiong’o in Sachen Beliebtheit und Erfolg dicht auf den Fersen. Und ich kann definitiv verstehen warum. Er schreibt neu, überraschend und textlich schön verpackt. Rafiki schließt man sofort ins Herz, obwohl man ihm nicht trauen kann. Er würde immer seinen eigenen Vorteil suchen und verteidigen – aber dafür auch immer nach Lösungen für allerlei Probleme suchen und finden. Ist man also bei ihm auf der richtigen Seite oder nicht?
Rafiki glaubt an Bildung und Bücher. Als er beginnt, die gepfändeten Elektrogeräte selbst zu reparieren, macht er das mit der Überzeugung, dass er ein paar Jahre in die Schule gegangen ist. Wozu ist er sonst zur Schule gegangen? Eine Elektrikerausbildung brauche er nicht! Zum Thema Bücher bringt Rafiki das für-die-Ewigkeit-festgehalten-Argument:
"Es gibt sie immer noch ... Und es wird sie noch geben, wenn ihr am Rausch vom bhangi-Rauchen und miraa-Kauen längst gestorben seid."
Diese Ausgabe erschien 2014 beim Peter Hammer Verlag in Wuppertal