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Abdellah Taïa: Der Tag des Königs

Bücher aus Afrika: Abdellah Taia

Abdellah Taïa hat sich 2006 als erster marokkanischer Autor geoutet. Vier Jahre später veröffentlicht er im Exil die Geschichte der Jungen Omar und Khalid. Sie ist emotional so gelungen wie die über Amir und Hassan in Drachenläufer.

Die Geschichte spielt an drei Tagen im Juni 1987. Marokko ist seit dreißig Jahren unabhängig von Frankreich und wird von König Hassan II. regiert. Der 14-jährige Erzähler Omar ist begeistert vom König und wäre am liebsten am Hof des Königs als Spaßmacher angestellt. Nachts hat er immer wieder denselben Traum: Er trifft den König. Später kehrt genau diese Chance, den König zu treffen, zurück … aber nicht für Omar. Das ist die Stelle im Roman, in der er seine Gefühle komplett sortiert und Nägel mit Köpfen macht. Abdellah Taïa trifft genau die richtigen Worte und schenkt sie einem 14-Jährigen.

Omars Leben in Marokko in 1987

Omar lebt mit seinem Vater in Salé nahe der Hauptstadt Rabat. Über seine Mutter hat er nichts Gutes zu sagen. Sie hat die Familie gerade mit dem kleinen Bruder Othman verlassen und ist nach Azemmour gegangen. Sie wird wahrscheinlich auch nicht zurück kommen. Jetzt hat sie laut Omar die Freiheit, wieder Kind sein zu können. Doch seitdem ist sein Vater nur noch ein Schatten seiner selbst. Es muss also ein Fluch auf ihm lasten und der Hexenmeister Bouhaydoura soll ihn aufheben.

Khalid

Im Vergleich zur Familie seines Freundes Khalid ist das Hauptmerkmal von Omars Familie die Armut. Khalid lebt in einer der größten Villen am höchsten Ort der Stadt. Er genießt all die Freiheiten der Reichen. Und wenn Omar abends bei Khalid ist und dessen Erzählungen über die Bedrohung der Sonne hört, hat er Zugang zu einer weiteren Freiheit Khalids: Als Kind reicher Eltern hat Khalid die Freiheit, sich über die skurrilsten Dinge ausschweifende Gedanken zu machen.
Wieder das Thema Freiheit, erst brachte Omar es bei seiner Mutter an und jetzt bei Khalid.

Freiheit im Roman

Es wird nichts beschönigt. In diesem Roman aus Marokko von 1987 macht es einen riesigen Unterschied, ob man weiß wie Khalid, braun wie Omar oder schwarz wie das Hausmädchen ist. Hadda ist eine junge Sklavin, die von der Mutter verkauft wurde und seitdem in reichen Villen Wäsche wäscht und den ganzen Haushalt macht. Auch sie kann niemals richtig frei sein. Ihre Freiheit besteht darin, ihren Namen abzulegen, wenn sie einen Ort verlassen muss. Um dann mit einem neuen Namen neu anzufangen.

Homosexualität in Marokko

Homosexualität steht in Marokko unter Strafe, wenn sie in der Öffentlichkeit ausgeführt wird. Abdellah Taïa hat sich 2006 in Marokko geoutet und wurde daraufhin angefeindet. Aber was er mit seinem Coming-out durchmachte, ist nicht direkt Thema des Buches. Die Beziehung der beiden Jungen steht im Vordergrund, aber es ist keine typische Geschichte gleichgeschlechtlicher Liebe und ihrer Gefahren.

Homosexualität im Roman

Ihre Beziehung scheint beiläufig, obwohl sie im Vordergrund steht. Es wird nicht betont, dass die Jungen aufpassen müssen und nur nebenbei erwähnt, dass Omar sich nachts zu Khalid schleicht. Nur das verstummte Hausmädchen Hadda kennt ihr Geheimnis: „Ihre Freundschaft schien mir stark, unerschüttlich, losgelöst von den Regeln, und das gefiel mir.“ Im ganzen Roman teilt Omar ganz offen und ungefiltert seine Gedanken, aber es gibt keine klaren Bekennungen zu Khalid. Omar teilt keine ausführlichen Gedanken über Khalid. Bis es zum großen Knall kommt.

Schreibstil von Abdellah Taïa

Neben dem Thema gefiel mir vor allem der Schreibstil von Abdellah Taïa. Er spielt mit kurzen, flotten Sätzen und bringt Abwechslung ins Lesestempo. Omars Gedanken sind so ungefiltert wie die eines 14-Jährigen: der Hass auf die Mutter, die Verehrung des Königs, das Vertrauen in Khalid und die ohnmächtige Eifersucht. Omar ist ein leidenschaftlicher Tagträumer, der beim Erzählen abdriftet und wieder auf seine Träume zurückkommt. Vielleicht ist das eine Besonderheit der kindlichen Ich-Erzähler.

Bäume im Roman

Oft haben Bäume eine besondere Bedeutung in afrikanischen Romanen. Und bisher kam in fast jedem Roman aus Afrika mindestens ein bestimmter Baum vor. Oft ist es ein Baum in der Mitte des Dorfes, der den Leuten Schatten spendet. Und Mal ist es die einsame Akazie in der Wüste. Soweit ich mich erinnere, kam in diesem Roman kein Baum direkt vor. Aber ein Sprichwort, das ironischerweise sehr an den einst robusten und dann gefallenen Baum der Ténéré erinnert:

"Ein Mann hat Mumm. Wird mit allem fertig. Ein Baum in der Wüste, robust, komme, was da wolle."

Diese Ausgabe erschien 2012 beim Suhrkamp Verlag in Berlin.


Fragen zu Marokko

Die Hauptstadt von Marokko ist Rabat im Nordwesten des Landes.
Casablanca ist eine Stadt im Westen Marokkos. Sie liegt etwa 86 Kilometer südlich der Hauptstadt Rabat.
Die Amtssprachen in Marokko sind Arabisch und Amazigh. Der größte Teil der Bevölkerung spricht außerdem Französisch. In einigen Regionen wird zudem Spanisch gesprochen.
In Marokko leben etwa 37,5 Millionen Menschen.

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