Warum Allah nicht gerecht sein muss, zeigt der preisgekrönte ivorische Autor Ahmadou Kourouma in seiner Geschichte von einem Kindersoldaten von der Elfenbeinküste. Das Original wurde 2000 veröffentlicht und stand sehr lange an der Spitze der französischen Bestseller.
Die Geschichte folgt der Reise des 10- oder 12-jährigen Ich-Erzählers Birahima. Wie alt der Junge genau ist, weiß er selbst nicht. Er lebt mit seiner Mutter Bafitini, die an den Folgen einer Beinamputation leidet. Als sie stirbt, wird Birahima von den Verwandten zur Tante nach Liberia geschickt. Der Fetischpriester Yacouba soll ihn auf der Reise begleiten.
Auf der Fahrt wird der Konvoi von einem Kindersoldaten der Rebellengruppe National Patriotic Front of Liberia gestoppt. Kurz darauf erscheint die ganze Truppe und Birahima wird gezwungen, sich ihnen anzuschließen. Er bekommt eine Kalaschnikow um die Schultern und streift fortan mit anderen Kindersoldaten durch die Wälder Liberias und Sierra Leones. Sie überfallen Dörfer, stehlen und rauchen so viel Hasch, bis es ihnen gleichgültig ist, wenn sie jemanden töten.
"They weren't worth a grandmother's fart." Sprichwort
Kourouma lässt einen Kindersoldaten berichten
Das Besondere an diesem Roman ist, dass Kourouma einen Kindersoldaten selbst berichten lässt. „Gnamokoé!“ (Bastard!), „Walahé!“ (I swear by Allah!) – Birahima ist respektlos, unhöflich, filterlos und nimmt kein Blatt vor den Mund.
Und er muss gar nichts.
Er muss nicht gerecht sein, denn Allah muss es auch nicht in allen Dingen sein. Das Grauen, in das ein Kindersoldat hineingerät, kann keine Gerechtigkeit Gottes sein. Nicht für die Kindersoldaten und nicht für andere Zivilisten.
"For as long as there's a head on your shoulders, you don't put your headdress on your knees." Sprichwort
Typisch-afrikanisch erzählt
Und damit ist Birahima auch nicht verpflichtet, seine Geschichte geordnet zu erzählen. Er wechselt zwischen seinen Erlebnissen und den politischen Hintergründen hin und her. Die Erzählung springt von Charakter zu Charakter und Story zu Story. Durch die Sprünge wird die Geschichte unvorhersehbar und spannend.
Aber sie ist auch häufig repetitiv, zum Teil wiederholt der Junge ganze Absätze. Zum Beispiel, als er Totenreden auf gefallene Kindersoldaten hält. Denn natürlich gebe es noch mehr Geschichten über jeden Einzelnen zu berichten, doch dafür reiche nicht die Zeit. Solche Wiederholungen kommen in Afrika häufig vor, deshalb hat Kourouma sie eingebracht. Er verwendet die Sprachstruktur des Maninka.
In vier Wörterbüchern schlängt Birahima beim Schreiben Maninka- und Pidgin-Wörter nach, um sie für den Leser zu übersetzen. Denn er spreche ja eine einfache Sprache und suche schicke Wörter für den französischen Leser heraus. Dabei fällt ihm allerdings auch die kleine Retourkutsche ein, dass es in der gehobenen Sprache zum Beispiel keine grammatikalische Form für weibliche Dienstgrade zu geben scheint…
Schauplatz Liberia
Die Geschichte spielt zwischen 1993 und 1997. Den genauen Zeitraum erfährt man nicht. Mal erklärt Birahima, es sei der 16. Januar 1996, dann das Jahr 1994 und der 25. September 199… und da bricht er ab. Wie sein genaues Alter scheint auch das genaue Datum der Geschichte nicht sonderlich wichtig zu sein. Wichtiger ist, dass der Roman mehr in Liberia als in der Elfenbeinküste spielt. Der liberianische Bürgerkrieg, in den Birahima hineingezogen wird, dauerte von 1989 bis 2003.
Erster liberianischer Bürgerkrieg
Bis 1990 war Samuel Doe aus der Volksgruppe der Krahn Staatspräsident von Liberia. Dann ließ ihn Prince Johnson aus der Rebellengruppe National Patriotic Front of Liberia (NPFL) kidnappen, foltern und töten. Heute ist Prince Johnson Senator der Verwaltungsregion Nimba County in Liberia.
"You follow the elephant through the jungle so as not to get wet from the dew." "Man ist sicherer, wenn man einer wichtigen Person nahe ist."
Anführer der NPFL war Charles Taylor, der von 1997 bis 2003 neuer Präsident von Liberia wurde. Auf Drängen mehrerer Organisationen und Staaten trat Taylor 2003 zurück und ging ins Exil in Nigeria. Der Bürgerkrieg war damit beendet. Taylor ist der erste afrikanische Staatschef, der vor einem internationalen Gericht wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gesprochen wurde. Unter anderem für den Einsatz von Kindersoldaten.
Diese englische Ausgabe erschien 2007 bei Vintage Books.
Die Romanvorlage für Beasts of No Nation stammt von Uzodinma Iweala. Der Film wurde in Ghana gedreht.