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Chinelo Okparanta: Unter den Udala Bäumen

Unter den Udala Bäumen

In „Unter den Udala Bäumen“ von Chinelo Okparanta aus Nigeria verlieben sich ein Igbo- und ein Hausa-Mädchen. Das in einer Zeit, in der beide Seiten Krieg führen. Und homosexuelle Handlungen auf beiden Seiten unter Strafe steht. Eine Liebesgeschichte.

In Ojoto in Biafra ertönt der Fliegeralarm und das Mädchen Ijeoma flieht mit ihrer Mutter in den Bunker hinter dem Haus. Doch der Vater weigert sich, sein Haus zu verlassen. Als Halbwaise wird die Ich-Erzählerin kurz nach dem Angriff von ihrer Mutter fortgeschickt. Sie soll bei einem bekannten Lehrer und dessen Frau in Nnewi als Hausmädchen arbeiten.

Eines Tages ruht sich Ijeoma auf dem Rückweg vom Einkaufen in der Stadt im Schatten eines Udala-Baumes aus. Plötzlich bemerkt sie eine Gestalt, die ihr aus der Stadt folgte und lernt so das Hausa-Mädchen Amina kennen. Auch Amina findet Arbeit im Haus des Lehrers und die Mädchen teilen sich fortan das Zimmer und verlieben sich.

Unter den Udala Bäumen
Ijeoma ist 11 Jahre alt, als sie Amina kennenlernt. | Foto von Muhammadtaha Ibrahim Ma’aji

Verbotene Liebe unter den Udala Bäumen

Eine Beziehung ist aus gleich drei Gründen nicht erlaubt. Die ersten beiden Gründe sind ethnisch und religiös: Ijeoma ist eine traditionell christliche Igbo und Amina eine muslimische Hausa. Die Hausa leben im Norden Nigerias, die Igbo im Südosten. Da sich die Igbo zunehmend diskriminiert sahen, erklärten sie 1967 eigeninitiativ ihre Unabhängigkeit vom Rest des Landes.

"Wenn Holz schon einmal mit Feuer in Berührung gekommen ist, entflammt es schnell."

Aber der Frieden in der neu ausgerufenen Republik Biafra hielt nur wenige Monate an, bis die ersten nigerianischen Truppen in den Südosten einfielen. Der Biafra-Krieg dauerte von 1967 bis Anfang 1970, als Biafra wieder in Nigeria eingegliedert wurde. Durch die Hungersnot im Krieg wurden unterernährte ‚Biafra-Kinder‘ zum Symbol der Dritten Welt.

Die Autorin Chinelo Okparanta ist wie die beiden berühmtesten Autoren aus Nigeria, Chinua Achebe und Chimamanda Ngozi Adichie, in Nigeria aufgewachsen und gehört den Igbo an. Als sie 10 Jahre alt war, wanderte sie mit ihrer Familie nach Amerika aus. 2015 veröffentlichte sie „Unter den Udala Bäumen“.

Nigeria Unter den Udala Bäumen
Foto aus der Region Mbaise im Herzen des Igbolands | Foto von Nnaemeka Ugochukwu

Sexuelles Tabu in Nigeria

Besonders Ijeomas streng christliche Mutter versucht es dem Mädchen mit einem harten Bibelstudium auszutreiben. Sie holt Ijeoma zu sich in die Stadt Aba, wo sie sich eine Existenz aufgebaut hat. Jetzt, wo der Biafra-Krieg beendet ist, wünscht sie sich für ihre Tochter ein normales Leben mit Ehemann, Kindern und Haushalt.

"Wenn Gott dir Reis anbietet, dann bitte nicht um Suppe."

Homosexualität ist in Nigeria ein Tabu und verboten, laut Strafgesetzbuch illegal. Im nördlichen, muslimischen Hausa-Gebiet steht darauf die Todesstrafe, im christlichen, südlichen Igbo-Gebiet die Gefängnisstrafe. Dennoch lernt Ijeoma die LGBT-Szene der Gemeinde zusammen mit der etwas älteren Ndidi kennen, in die sie sich zwischenzeitlich verliebt. Sie streifen abends durch die Stadt, was immer unsicherer wird.

"Wer eine Hexenjagd veranstaltet, findet auch eine Hexe."

Über Udala Bäume

Udala Bäume werden auch Sternapfelbaum genannt. Es gibt einen roten Sternapfel aus der Karibik und einen gelben aus Afrika. Die Yoruba nennen ihn Agbalumo, die Hausa Agwaluma und im Südosten von Nigeria wird er Udara oder Udala Baum genannt.

"Der Legende nach kommen Geisterkinder, die es leid sind, rastlos zwischen der Welt der Lebenden und der Toten hin- und herzuschweben, über Udala-Bäumen zur Ruhe. Dankbar, irgendwo anzukommen, verhelfen sie jeder Frau, die sich, und sei es auch nur kurz, unter einem Udala-Baum niederlässt, zu Fruchtbarkeit."
Udala Früchte Baum
Chrysophyllum albidum – Udala – Weißer Sternapfel | Foto von Ima Enoch

Andere Bäume werden eigentlich häufiger genannt: Mit ihrem Freund Chibundu klettert sie als Kind auf Orangenbäume und ihre Mutter verbindet sie mit dem Geruch von frischen Guaven. Zudem sieht sie später über einem Guavenbaum Schwalben fliegen – der Zugvogel gilt als Frühlingsbote und Glücksbringer. Wo er nistet, kehrt das Glück ein, wer ihm begegnet, zu dem kehrt das Glück zurück.


Diese Ausgabe erschien 2018 beim Verlag Wunderhorn.


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