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Buchi Emecheta: Second-Class Citizen

Second-Class Citizen von Buchi Emecheta ist ein berührendes Buch über die Kraft einer Frau, die sich gegen gesellschaftliche Normen und Vorurteile auflehnt, um ihre Träume zu verwirklichen. Begleitet Adah auf ihrer Reise von Lagos bis nach London. 

Adah Ofilis Kampf um Bildung und ihr Erfolg

Das Igbo-Mädchen Adah Ofili kämpft dafür, in die Schule gehen zu können. Erst für den Besuch der Dorfschule, dann für die Mädchenoberschule der Methodisten. Die Schule war teuer, gerade weil nicht auf Afrikanisch unterrichtet wurde. Statt Yoruba wurde Englisch gelernt. Aber Adah kämpfte sich durch und erhielt ein Stipendium, um für eine Zeit lang in den USA zu studieren. Mit ihrer Collegeausbildung bekam sie einen guten Job beim amerikanischen Konsulat in Nigeria und machte nebenbei noch eine Ausbildung zur Bibliothekarin.

Doppelbelastung: Familie und Job ohne Unterstützung

Sie tut das alles, während sie schon ihr erstes Kind bekommen hat – und gleichzeitig ihren Mann Francis aushalten muss. Adah ist die Versorgerin der Familie. Und das soll leider auch noch eine ganze Zeit lang andauern. Sie müsse nach der Arbeit „nur noch“ zur Abendschule und sich dann noch „mal eben“ um Francis und das Kind kümmern. Adah macht das Gewicht von Wörtern wie „nur noch“ und „mal eben“ nichts aus. Denn Francis ist fast fertig mit seiner Ausbildung. Bald wird er arbeiten. Sicher bald.

Der große Traum von einem neuen Leben in London

In der Zwischenzeit hat Adah das dritte Kind bekommen. Und Francis muss „nur noch“ die Abschlussprüfung bestehen. Für ihn wiegen die Wörter „mal eben“ etwas mehr. Er fällt durch und muss die Prüfung wiederholen. Währenddessen könne er ja schonmal vorreisen und Adahs großen Traum in London leben. Es sind „nur noch“ ein paar Monate, denkt Adah, bis sie nachreisen kann. Bis sie endlich in London ihr neues Leben beginnen würde.

Mit zwei Kindern an der Hand und einem in ihrem Bauch steht Adah auf dem Deck des Schiffes, dass sie von Nigeria nach Liverpool bringen wird. Am Hafen winkt ihr Bruder, der letzte Anker aus Adahs Familie, zum Abschied.

England: Enttäuschung in Einzimmerwohnung ohne Einkommen

England ist nicht, wie sie es erwartet hat. Die Engländer „wirkten abwesend, auf eine unnahbare Weise zufrieden und um Distanz bemüht.“ Damit nicht genug. Es erwartet Adah und ihre drei Kinder ein unvorbereitetes Leben in einer Einzimmerwohnung ohne Einkommen. Denn Francis lebte immer noch von dem Geld, das Adah ihm aus Nigeria schickte.

Emechetas kühne Schreibweise und ihr Umgang mit kontroversen Themen

Buchi Emecheta schreibt so psychologisch direkt und mutig. Sie wagt zu schreiben, was man nie sagen würde.

„Sie hatte lernen müssen, nicht mit ihren Arbeitskolleginnen über ihren Kummer zu reden, denn in dieser Gesellschaft interessierte sich niemand für die Probleme anderer. Wenn du dein Unglück nicht mehr ertragen konntest, hattest du ja die Möglichkeit, dich umzubringen. Auch das war erlaubt. Selbstmordversuche galten nicht als Sünde, sondern als Versuch, in einer unglücklichen Situation Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.“

Buchi Emecheta: Second-Class Citizen

Francis ist selbstsüchtig, egozentrisch, faul, verwöhnt und dazu auch noch selbstmitleidig. „Aber er hatte das Yoruba-Sprichwort außer Acht gelassen, dass ,ein hungriger Hund nicht mit einem satten spielt.'“

Die Bürde der schwarzen Frau: Buchi Emechetas mutige Analyse von Diskriminierung und Ausbeutung in der Ehe

Neben der Ausnutzung in ihrem Zuhause hinterlässt auch noch die Diskriminierung von Schwarzen ihre psychologische Wirkung. Oder bedeutete Anpassung, so wahnsinnig zu sein wie die Leute um sie herum? Musste sie erst so werden wie sie, um nicht mehr ausgenutzt zu werden? Die ganze Last des Geldverdienens, Kinderhütens und auch noch das Kümmern um ihren arbeitslosen Mann. Der wie ihr erstes Kind wirkt, das niemals erwachsen wurde. Ein Ehemann wie ein verwöhnter Junge, der ihr mit diesen unattraktiven Charakterzügen in die eheliche Wiege gelegt wurde und der nie lernen musste zu lieben. Francis hatte immer nur gelernt, gepflegt und umsorgt zu werden, mehr nicht.

Gefangen in einer unglücklichen Ehe: Adahs Kampf um Selbstbestimmung und Unterstützung

Gefangen in einer so unglücklichen Ehe voller überlaufender Fässer. Von Francis kann Adah nicht mal Blumen im Krankenhaus erwarten. Während alle anderen frisch gebackenen Mütter im Krankenzimmer Postkarten und Blumen bekommen, hat Adah nicht mal ihr eigenes Nachthemd dabei. Francis bräuchte das Geld für sein Studium. Adah verfluchte ihre Schwiegermutter, die ihn so verzogen hatte. „Warum dauerte es so lange, bis Männer sich veränderten, sich anpassten und sich in neuen Situationen zurechtfanden?“

Der Feind in ihrem Bett

Francis ist nicht der Typ Mann, der sich selbst eine Arbeit sucht. Er muss dazu gedrängt werden wie zu allem im Leben. Jemand muss es ihm sagen, sonst kommt er nicht auf die Idee, seine Kinder und seine Frau finanziell zu unterstützen. Man muss ihm alles sagen, sonst bleibt nicht als Dumm- und Faulheit. Viel zu spät und über Kontinente hinweg entdeckte Adah, dass sie es nie mit einem Partner, sondern immer nur mit einem Feind zu tun gehabt hatte. Die Art erwachsener Männer, die rotzfrech werden, wenn sie plötzlich nicht mehr gestillt werden. Die niemals erwachsen werden oder über Verantwortung auch nur nachdenken.

Die Art fehlender Höflichkeit, die man gewöhnlich mit niedriger Intelligenz verbindet.

Nichts zu verlieren als ihre Ketten: Aufruf zur Selbstbefreiung

Ein so rührender Roman mit mutigen Worten, die nur Menschen auszusprechen scheinen, die sehr viel durchgemacht haben. Die ein Recht dazu haben, zu urteilen – weil sie zu lange nicht geurteilt haben und die brutalsten Unhöflichkeiten haben durchgehen lassen. Die sich auch noch dafür schämen und nicht möchten, dass jemand erfährt, was sie mit sich haben machen lassen. Unwissentlich in Situationen gerutscht, in denen Glück zu einer Seltenheit wurde.

„Erinnerst du dich nicht mehr oder hast du den alten Spruch unserer Leute vergessen, dass ein Mann und seine Frau sich für viele Dinge ein Zuhause schaffen, aber vor allem für Streit? Zu Hause ist da, wo man streitet.“

Buchi Emecheta: Second-Class Citizen

Diese Ausgabe erschien 2023 bei Blumenbar, einer Marke der Aufbau Verlage in Berlin.
Die Originalausgabe erschien 1974 bei Allison und Busby in London.


Buchi Emecheta

Buchi Emecheta war eine nigerianische Schriftstellerin und Feministin, die 1944 in Lagos, Nigeria geboren wurde und aufwuchs. Später zog sie nach England, um dort zu studieren und zu leben. Sie studierte Sozialarbeit und arbeitete als Bibliothekarin, bevor sie sich dem Schreiben von Romanen zuwandte.

Sie starb Anfag 2017 im Alter von 72 Jahren. Obwohl sie ihr Leben lang eng mit England verbunden war, blieb sie immer stark mit ihrer nigerianischen Kultur und Herkunft verbunden.

Porträtfoto Buchi Emecheta von Valerie Wilmer

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