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Soyinka: Neuer Roman nach 48 Jahren

Romane aus Afrika: Soyinka

Nach fast 50 Jahren veröffentlichte Wole Soyinka, der erste afrikanische Nobelpreisträger für Literatur, im Oktober seinen dritten und neuen Roman: “Chronicles From the Land of the Happiest People On Earth” gilt als brillant, aber schwer zu lesen. 

2021 war ein sehr erfolgreiches Jahr für afrikanische Schriftsteller. Abdulrazak Gurnah aus Tansania erhielt den Literaturnobelpreis, David Diop aus dem Senegal den Internationalen Booker Prize, Mohamed Mbougar Sarr (ebenfalls aus dem Senegal) den französischen Prix Goncourt und Damon Galgut aus Südafrika den Booker Prize. Außerdem erhielt Tsitsi Dangarembga aus Simbabwe den Friedenspreis des deutschen Buchhandels.

Zusätzlich sorgt der neue Roman von dem ersten afrikanischen Literaturnobelpreis (1986) für Aufruhr. Sein Roman “Chronicles from the Land of the Happiest People On Earth” gilt als brillant, aber schwer zu lesen. Und das merkt man auch. Als der Roman Ende Oktober im englischen Original erschien, hatte ich ihn mir vorbestellt und dann schon im Briefkasten. Mein Englisch ist eigentlich nicht so schlecht, aber in den Roman bin ich leider kaum reingekommen.

Soyinka
Wole Soyinka (links) mit dem Präsidenten von Ruanda Paul Kagame | Foto von Paul Kagames Flickr

Keine leichte Kost von Soyinka

Soyinka ist unter anderem oder vielleicht sogar vor allem als Dramatiker und Essayist bekannt. Er schrieb über 30 Theaterstücke, außerdem Aufsätze und mehrere Biografien. „Chronicles From the Land of the Happiest People On Earth“ ist “erst” sein dritter Roman und der Einstieg ist nicht besonders leicht. Zwischendurch erinnerte er mich ein bisschen an Theaterstücke. Die Kapitel beginnen wie ein Szenenwechsel je mit einer neuen Geschichte und beim Einstieg geht’s mit wenig einführenden Beschreibungen direkt los.

Dann ziehen sich die Absätze wieder in langen aufeinanderfolgenden Gedankengängen so dahin. Und in das nächste Kapitel wurden so viele Substantive in die Sätze gepackt, dass es wieder nicht leicht ist, in die Geschichte zu kommen.

Soyinkas Geschenk: Ein unmaskiertes Nigeria

„Chronicles from the Land of the Happiest People on Earth“ ist politische Satire und Krimi in einem. Die Geschichte erzählt von vier Freunden, die entweder hochrangige Priester oder Politiker sind.

Papa Davina wird unter einer falschen Identität ein religiöser Guru, der mit dem „Chrislam“ sowohl Christen als auch Muslime unter seinen Hut bringen will. Duyole Pitan-Payne ist ein Ingenieur, der von der UN zu einer Position in New York eingeladen wird. Der berühmte Dr. Kighare Menka behandelt als Chirurg Opfer von Boko Haram, bis er von einem großen Untergrundnetzwerk kontaktiert wird, das mit menschlichen Körperteilen handelt. Und Prince Badetona ist Buchhalter und Statistiker, der in das Geschäft der Geldwäsche verstrickt wird.

Sie alle zeigen Nigeria unmaskiert, hinter der Fassade, eingedeckt in Soyinkas Satire. Soyinka selbst nennt den Roman sein „Geschenk an Nigeria.“

"When we encounter an elephant, let us admit that we have seen the lord of the forest, not offhandedly remark that we saw something flash across our sight."
Sprichtwort
Ibadan ist im Roman die bevölkerungsreichste und zugleich eine antike Yoruba-Stadt. | Foto von John Onaeko

Soyinka schreibt bewusst auf Englisch

Seit Jahren gibt es die Debatte in den afrikanischen Ländern, ob nun auf europäischen oder afrikanischen Sprachen geschrieben werden sollte. Bei Wikipedia-Artikeln zu den Autoren wird meistens in den ersten Sätzen schon angegeben, auf welcher Sprache sie schreiben. Und Soyinka war eigentlich immer pro Englisch. Seine Werke, unter anderem mit afrikanischer Folklore aus der Kultur der Yoruba sind alle auf Englisch. Vordergründig geht’s um die Sprache und Form: Postkolonial-europäisch oder traditionell afrikanisch?

Ngũgĩ wa Thiong’o aus Kenia ist sozusagen der Gegenspieler. Er wird seit einem Jahrzehnt als nächster Nobelpreisträger für Literatur gehandelt. Aber auch in diesem Jahr hat er ihn nicht bekommen. Stattdessen hat ihn Abdulrazak Gurnah erhalten. Er flüchtete mit Anfang zwanzig nach Großbritannien und schreibt unter anderem darüber, auf Englisch.

Als Soyinka 1986 den Nobelpreis bekam, veröffentlichte Thiong’o im gleichen Jahr sein Sammelband „Dekolonialisierung des Denkens“ mit Essays über afrikanische Sprachen in der Literatur. Es war ein Plädoyer für eine wirklich afrikanische Literatur. Im Gegensatz zu Soyinka schreibt Thiong’o seit 1977 explizit auf seiner Muttersprache Kikuyu.

Ngũgĩ wa Thiong’o liest aus „Herr der Krähen“ an der Universität Hawaii | Foto von Kanaka Rastamon

Die meisten Literaturnobelpreise aus Afrika auf Englisch

Fast jeder der bisherigen fünf Nobelpreisträger für Literatur aus afrikanischen Ländern schreibt auf Englisch:

  • 2021: Abdulrazak Gurnah aus Tansania
    „Für sein kompromissloses und mitfühlendes Durchdringen der Auswirkungen des Kolonialismus und des Schicksals des Flüchtlings in der Kluft zwischen Kulturen und Kontinenten.“
  • 2003: J. M. Coetzee aus Südafrika
    „Der in zahlreichen Verkleidungen die überrumpelnde Teilhabe des Außenseitertums darstellt.“
  • 1991: Nadine Gordimer aus Südafrika
    „Die durch ihr großartiges episches Werk – mit den Worten Alfred Nobels – der Menschheit einen großen Dienst erwiesen hat.“
  • 1988: Nagib Machfuz aus Ägypten
    „Der mit seinen nuancenreichen Werken – mal klarsichtig realistisch, mal beschwörend doppeldeutig – eine arabische Erzählkunst geschaffen hat, die für alle Menschen gilt.“
  • 1986: Wole Soyinka aus Nigeria
    „Der in einer breiten kulturellen Perspektive und mit poetischen Untertönen das Drama des Daseins entwirft.“
Soyinka Gurnah
Gurnah ist auf Sansibar aufgewachsen | Photo by Jossuha Théophile

Im April 2022 erscheint die deutsche Übersetzung „Die Glücklichsten Menschen der Welt“ und dann werde ich es neugierig auf Soyinka auf jeden Fall nochmal probieren.


Diese Ausgabe erschien 2021 im Bloomsbury Publishing Plc.


2 Gedanken zu „Soyinka: Neuer Roman nach 48 Jahren“

  1. Hier bekommt man keinen Honig um den Mund geschmiert, sondern eine ehrliche und hilfreiche Einordnung. Einen Vorgeschmack, der nicht zu viel verrät und einen ersten Eindruck, der nicht zu viel vorwegnimmt.
    Vielen Dank für eine weitere ungeschminkte Rezension!

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