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Aya Cissoko: Kein Kind von Nichts und Niemand

Aya Cissoko

Aya Cissoko, ehemalige Boxweltmeisterin und Autorin mit Wurzeln in Mali, verwebt in ihrem neuesten Roman ihre afrikanische Erbschaft und europäische Erfahrungen. Sie beleuchtet in einem fiktiven Brief an ihre Tochter tiefgreifende Themen wie Rassismus und soziale Ausgrenzung. 

Bei dem neuen Roman von Aya Cissoko handelt es sich um einen kurzen Roman, was charakteristisch für viele afrikanische Erzählungen ist. Ob die Kürze des Werkes eine bewusste Entscheidung der Autorin war, um bestimmte Traditionen oder Erzählstile zu reflektieren, kann ich nicht sagen. Doch sie verleiht dem Buch eine besondere Tiefe, die in den Wurzeln der Autorin begründet liegt.

Ein Roman als Fenster zwischen Afrika und Europa

Die Autorin Aya Cissoko selbst kam in Frankreich zur Welt, nachdem ihre Eltern in den 1970er Jahren aus Mali dorthin ausgewandert waren. Dieser biografische Hintergrund gibt dem Roman eine zusätzliche Dimension, da er aus der Feder einer Schriftstellerin stammt. Sie webt ein komplexes Geflecht aus den lebhaften Farben ihrer afrikanischen Erbschaft und den subtilen Nuancen ihres europäischen Lebens. Der Roman ist mehr als nur eine Geschichte. Er ist ein Fenster in eine Welt, in der Kulturen kollidieren und koexistieren.

Denn wenn uns eigentlich die Worte fehlen, wir aber dennoch riskieren, etwas zu sagen, führt dies zu neuem Schweigen, zu neuer Wut.

Vom Boxring zur Literatur

Aya Cissoko erlebte in ihrer Jugend eine Tragödie, als ihr Vater und ihre Schwester 1986 bei einem Brandanschlag starben. Sie fand im Boxsport Zuflucht und erreichte 2006 den Höhepunkt ihrer Karriere als Amateur-Boxweltmeisterin. 2010 musste sie ihre sportliche Laufbahn nach einer Wirbelsäulenverletzung beenden. Danach wandte sie sich der Schriftstellerei zu und veröffentlichte 2011 ihr erstes Buch „Danbé“. Ihr zweites Werk, „N’ba“, erschien 2016. Cissoko, die auch Politikwissenschaft in Paris studierte, lebt weiterhin in ihrer Geburtsstadt.

Wenn ich Dinge nicht rasch und pünktlich erledigte, sagte deine Großmutter zu mir: „Vor lauter in die Höhe pissen, wirst du am Ende selber nass!“

Aya Cissokos Brief an die Zukunft

In ihrem neuen Buch richtet Aya Cissoko einen direkten Brief an ihre Tochter. Sie analysiert, wie sich Rassismus und Klassenverachtung in einer verworrenen Logik vermischen, die hartnäckig weiterbesteht. Indem sie die Geschichte ihrer Vorfahren mit den sozialen Herausforderungen der Gegenwart verwebt, zeigt sie auf, wie tief die Scham sitzt, die diskriminierte Menschen oft gegenüber ihren Familien empfinden. Cissoko fordert Veränderung und gibt denen eine Stimme, die von der Gesellschaft marginalisiert werden.

Es kommt auch die Zeit, wo du mir nicht mehr so viel Zeit widmen wirst, das ist die normale Ordnung der Dinge. Ich weiß, dass du mir nie ganz gehören wirst. Das habe ich, ebenso wie meine Mutter, sehr früh begriffen.


Diese Ausgabe erschien 2023 beim Verlag Das Wunderhorn GmbH in Heidelberg.
Das Original Au nom de tous les tiens erschien 2022 bei Éditions du Seuil in Paris.


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